Draußen sein

Eltern kleiner Kinder sind ja am Wochenende in der Regel draußen. Wegen der Kinder. Eine vorzügliche Gelegenheit, die anderen Eltern kleiner Kinder zu beobachten und zu belauschen. Um sich selber zu bestätigen, dass bei denen noch mehr schiefläuft als bei einem selber. Folgende Beobachtungen des vergangenen Wochenendes hält mein Notizzettel bereit:

Eltern mit Kleinkindern kleiden sich hierzulande nicht mehr attraktiv, sondern nur noch praktisch. Die Eleganz ist einer Art imprägnierten Resignation gewichen. Mit einer Brosche aus Halbverdautem am Kaschmirkleid schindet man nun mal keinen Eindruck. Darum tragen Kleinkindeltern abwaschbare Nutzklamotten in Form von Kartoffelsäcken. Deren Trägern es nichts ausmacht, wenn das äußere Erscheinungsbild Spuren von Hirsemüsli vor oder nach der Verdauung enthält. „Äh, warum klebt denn jetzt meine Hand? Was ist das?“ „Hm, vermutlich Schnodder oder magensaures Pastinakepüree. Du hast ja gerade mein Kind angefasst.“ Eltern von Kleinkindern entwickeln anderen Menschen gegenüber eine gewisse Rotzigkeit. Eine Mischung aus Abgeklärtheit und Angepisst sein (mental und tatsächlich). Das Wochenende gehört ja auch nicht mehr ihnen. Ein gutes Buch lesen. Oder mal die Sonntagszeitung. Oder ins Kino gehen – Matineevorstellung, haha! Oder ein YouTube-Video produzieren. Oder Brunch (wenn man sowas jemals mochte). VERGISS ES! Es ist vorbei! Das Kind muss raus an die frische Luft. Und alle müssen mit. Sagt meinen Beobachtungen zufolge in der Regel die Mutter. Bevor sie ein Kind hatte, hat dieselbe Frau am Wochenende gesoffen. Und geraucht. Und ausgeschlafen. Und eins hat sie nicht gemacht: Rausgehen. Aber jetzt! Sie ist Frischluftfanatikerin. Verdammte Hormone! Und wo wir gerade bei Müttern sind: Liebe Mütter – Entspannt euch. Es bringt nichts, dem Kind gefühlte zwei Stunden lang dieselbe und immer wieder dieselbe Frage zu stellen: „Willst du noch ein Stück Apfel? Willst du noch ein Stück Apfel? Willst du noch ein Stück Apfel? Willst du noch ein Stück Apfel? Willst du noch ein Stück Apfel?“ Wenn das Kind nicht antwortet, heißt das erstens: „Mama, deine Platte hat einen Sprung. Mama, deine Platte hat einen Sprung. Mama, deine Platte hat einen Sprung. Mama, deine Platte hat einen Sprung.“ und zweitens: „NEIN! NEIN! NEIN! NEIN! NEIN!“ Und an dieser Stelle kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Wenn das Kind Hunger hat und ein Apfelstückchen möchte, dann wird es sich melden. Mit Sicherheit wird es sich melden. Fragt meine Kratzspuren.

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