Die letzte Glosse auf WDR 2

16. Mai 2017 – heute lief meine letzte Glosse auf WDR 2. Hier der Text, entstanden direkt nach der Landtagswahl in NRW, bei der die beliebte Volkspartei CDU unfassbarerweise stark gewonnen hat. Vermutlich will das Wahlvolk einfach sicherstellen, dass die politischen Kabarettisten dieses Landes auch weiterhin gutes Material für die Bühne bekommen. Wo sie dann über die Partei herziehen, die jene gewählt haben, die vor ihnen sitzen. Und die jetzt darüber sagen „Genau so isses!“ Ein Glück, dass ich kein Politkabarett mache.

„Die Deutschen lieben ja Musicals. Diese langweiligen Shows, in denen nichts Aufregendes passiert. Untermalt von schlechter Musik, zu der man laut schreiend aus dem Fenster springen möchte. Wenn eins da wäre. Deutschland und Musical – das passt zusammen wie Leitkultur und Sangria-Eimer. Höchste Zeit also für „Deutschland zweitausendfünfundzwanzig – das Musical“. Wir schreiben das Jahr zweitausendfünfundzwanzig. Die Deutsche Bahn hat die Fahrkarten gestrichen. Das war der finale Schritt – nachdem die Fahrpläne, die Wagenreihung und überdachte Bahnsteige abgeschafft wurden. Die Fahrkarte heißt im Jahr zweitausendfünfundzwanzig Smartphone. Dumm nur, dass es gar keine Smartphones mehr gibt. Das heißt: keiner darf mehr mitfahren. „Deutschland zweitausendfünfundzwanzig“ Stillstand ist mehr als ein Wort. Seit zwanzig Jahren steuert Angela Merkel die Chefnation Europas. Und sie steuert sie auf Sicht. Sie hat Frankreich das Taschengeld gekürzt, Griechenland per Schuldschein an die Türkei verkauft und Ungarn an Österreich verschenkt. Aber die Höchststrafe gab’s für Portugal. Der spanische Blinddarm muss per Dekret solange den Eurovision Song Contest ausrichten, bis die iberische Außenkante endgültig vom Atlantik gefressen wurde. „Deutschland zweitausendfünfundzwanzig“: Merkel hat die SPD fermentiert. Weg von einer Partei, hin zu einem Alibi-Grund, überhaupt noch so was wie Wahlkampf machen zu müssen. Eigentlich braucht man diesen Quatsch aller vier Jahre nicht mehr, weil sich der so genannte Wähler, trotzdem er die Wahl hat, eh immer fürs selbe Angebot entscheidet. Aber laut Grundgesetz gibt es sowas wie eine Legislaturperiode. Und noch gibt es Leute, die trotz Bildungssystem das Wort „Legislaturperiode“ aussprechen können. Auch wenn sie dafür betrunken sein müssen. „Deutschland – das Musical“ Sehen Sie, wenn die Deutschen auch im Jahr zweitausendfünfundzwanzig gefragt werden, was sie wählen wollen. Wenn die Gegenkandidaten von Angela Merkel nur ein paar Emojis bei WhatsApp sind. „Deutschland das Musical“ – mit Helene Fischer als Angela Merkel und Erika Steinbach als Bundeswehrkaserne. Musik: Die Amigos. Pausensnack: Kartoffeln mit brauner Soße. Zu erleben ist das Ganze im Musical Dome Berlin Schönefeld, vormals bekannt als Flughafen Berlin Brandenburg. Ich werde dieses schöne Musical jetzt schreiben. Kann also hier keine Glossen mehr machen. Ich bedanke mich für dreieinhalb Jahre treues Zuhören und wünsche ihnen viel Vergnügen mit meiner Nachfolgerin Katrin Bauerfeind. Ab nächster Woche hier auf diesem Sendeplatz. Tschüß!“

Und nun schreibe ich wieder Texte ausschließlich für die Bühne. Es waren interessante dreieinhalb Jahre, in denen ich viel lernen durfte über Radiohörerbefindlichkeiten, nicht richtig zuhören können und vor allem, schnell auf den Punkt zu kommen. Das ist man gar nicht so leicht, nönö. Wichtig auch: schon beim Ersinnen der Glosse die Schere im Kopf mitschnibbeln zu lassen, damit man ja keiner Randgruppe daheim am Empfänger auf die Füße tritt. Ich möchte mich vielmals dafür bedanken, diese schöne Sache gemacht haben zu dürfen. Einmal pro Woche die aktuelle Lage präzise wie ein Privatgelehrter einzuordnen. Was auf mehr oder weniger Resonanz stößt. Und im besten Fall WDR 2 einmal pro Woche für zweieinhalb Minuten davon abhält, schlimme Musik von Silbermond und Tim Bendzko zu spielen. Und vor allem möchte ich nicht verschweigen, dass es auch sehr viel Zuspruch gab. Teilweise sogar persönlich, mündlich vorgetragen von wildfremden Menschen, die mich weit außerhalb des WDR-Sendegebietes auf die Radioglosse ansprachen. Ein schönes Gefühl. Danke danke danke und gerne jederzeit direkt nach den Auftritten. Denn die gibt es weiterhin. Bundesweit. Und auf WDR 2 sendet nun Katrin Bauerfeind. Vermutlich, weil Barbara Schöneberger keine Zeit hatte.

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