Wo schlafen die eigentlich alle?

Wo schlafen die eigentlich alle? Diese Menschen, die zum Junggesellenabschied nach Düsseldorf reisen? Die Nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ist ja seit Menschengedenken weit über ihre Grenzen bekannt dafür, an jedem verdammten Wochenende Junggesellenabschiede durch ihre Altstadt ziehen zu lassen. Doch nochmal die Frage: diese Menschen, die das letzte Mal ihren Anstand als Unverheiratete öffentlich und ausgiebig so in Frage stellen, als wären sie die Ersten und Einzigen auf diesem Planeten, die sowas tun – wo schlafen die alle? Wo übernachten die? Schließlich wohnen die nicht in Düsseldorf. Wenn sie in Düsseldorf wohnen würden, würden sie in Düsseldorf keinen Junggesellenabschied feiern. Weil sie wüssten, wie bekloppt das ist. Wo übernachten sie also? Antwort: in meinem Düsseldorfer Hotel. Dem nh-Hotel. Punkt 12 Uhr am Mittag checken sie ein. Mehr weibliche als männliche Gruppen. In Frauschaftstrikots gekleidet, wie eine Fußballmannschaft, damit ja niemandem verborgen bleibt, was sie zelebrieren müssen. Sie müssen, weil irgendwo geschrieben steht, dass das so sein muss. Dass man sich nochmal ordentlich die Kante gibt vor der Trauung. Niemand weiß, wo das gesetzlich verankert ist, aber man ist sich sicher, dass! Der Teufel taucht schließlich in der Bibel auch nicht wörtlich auf, aber jeder weiß: es gibt ihn. Die Braut lässt sich sofort ausmachen. Es ist entweder die betrunkenste von allen oder die mit der größten Angst in den Augen. Oder beides. Die Ärmste ahnt, was sie erwartet. Weil jetzt genau die in ihrem Gefolge sind, die sich sonst nie melden, nie anrufen, und nie „Gefällt mir“ unter ihre Postings auf Facebook setzen, aber nun überraschend freundlich und vollkommen aufgekratzt sind. Aufgekratzt von den drei Haubitzen lauwarmer Mumm, die sie schon intus haben. Aufgekratzt von der Aussicht, Zeugen einer grandiosen Blamage zu werden. Die mitgefilmt wird, man will ja schließlich auf dem Hochzeitsabend einen lustigen Pleiten, Pech und Pannen-Film zeigen. Da stehen sie, an der Rezeption. Es ist 12 Uhr, ihr Zimmer ist noch nicht frei, bis eben war noch die Belegschaft eines Junggesellenabschieds da drin. Nun müssen erstmal diverse Brände gelöscht werden. Die Minibar wird wieder gefüllt, der Teppich gereinigt und das zerschlagene Badezimmerinventar ausgetauscht. Und das Fenster erneuert. Das ist nämlich kaputt, weil JEMAND mit Anlauf durchgesprungen ist. Hackebreit, nachdem ihm seine Kumpels gezeigt haben, was sich so alles auf dem gehackten Handy seiner Verlobten finden ließ. Die Renovierungsarbeiten dauern zwar ein wenig, gehen jedoch zügig voran. Dann können die lustigen Hühner aufs Zimmer. Schnell zwei Minuten frischmachen und dann hopp hopp auf in die Altstadt, um sich bei brüllender Hitze und gleißendem Sonnenlicht (Temperatur an diesem letzten Wochenende im Mai: schmelztigelige 32 Grad im Schatten) von seinen „Freunden“ vorführen zu lassen. Vor Düsseldorfern, Düsseldorferinnen und ihren Besuchern, die so was ja noch nie gesehen haben. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass Düsseldorf ungefähr dreitausend Jahre vor Christus um einen Junggesellenabschied herum gebaut wurde. Der damals schon genauso aussah wie heute und genauso ablief wie heute. Menschen. So sind sie. Und weil ich das weiß, bin ich dann am frühen Samstag-Nachmittag doch nicht in die Altstadt gegangen. Bei brüllender Hitze. Ich war im Kino, bei netterer Gesellschaft. Die hieß „Alien“. Ich glaube, Alien Teil 39, „Alien vs. Bibi und Tina“. In diesem Film war zwar ebenfalls eine größere Menschengruppe in einheitlicher Kleidung auf einem fremden Planeten unterwegs, um sich Widerliches oral einzupfeifen, um es später zu erbrechen. Aber die Filmkotze ist wenigstens auf vier Gliedmaßen weggerannt und hat dabei laut gekreischt. War also der wesentlich lustigere Film als der, den ich in der Düsseldorfer Altstadt gesehen hätte.

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